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Freie Wege für freie Verbreitung – Creative Commons Lizenzen in der Jugendverbandsarbeit

Wenn man eine Botschaft in die Welt bringen möchte, sollte man sich vorher überlegen, was und wer erreicht werden soll und mit welchem Ziel.

Wer ist meine Zielgruppe? Welches Thema will ich besetzen? Auf Grundlage der Antworten auf diese Fragen müssen nicht nur Form und Verbreitungsweg, sondern auch die rechtlichen Grundlagen festgelegt werden. Dabei tun sich auch Jugendverbände in Zeiten des digitalen Wandels manchmal schwer. Warum eigentlich?

Bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) gibt es, wie in anderen Jugendverbänden auch, eine Herausforderung. Seit Jahren werden gute Bildungsmaterialien erarbeitet, aber seit es möglich ist, genauer nachzuhalten, bei wem sie eigentlich in welcher Zahl ankommen, ist klar: Das meiste wird für eine kleine überschaubare Gruppe produziert.  So zumindest meine Informationen. Manche Bücher, die in den letzten Jahren aufgelegt wurden, sind nur knapp mehr als 100 Mal pro Jahr verkauft worden. Arbeitshilfen werden selten nachbestellt, Downloadzahlen sind oft übersichtlich.

Eigentlich verwunderlich, wo doch die Themen der letzten Jahre durchaus in größeren Kreisen diskutiert werden und ein Interesse bei den Leuten im Verband und darüber hinaus wecken sollten. Themen waren zum Beispiel: Nachhaltigkeit, Inklusion und Fairer Handel. In diesem Jahr heißt das Thema der Jahresaktion „Gast>>Freundschaft – Für Menschen auf der Flucht“ – was könnte aktueller sein? An den Themen liegt es also offensichtlich nicht. Auch inhaltlich können sich die Publikationen durchaus sehen und lesen lassen.

Vielleicht liegt also an der Art und Weise, wie die Publikationen verbreitet werden oder daran, wie die Verbreitung voran getrieben wird.

Die Art und Weise von Veröffentlichungen haben sich in den letzten Jahren geändert. Früher waren Publikationen in gedruckter Form teuer, die Ressourcen waren begrenzt. Höhere Verbreitung musste bezahlt werden. Heute kostet die digitale Veröffentlichung weit weniger Geld. Die Mittel, welche für Platz auf Festplatten und die Möglichkeit des Downloads aufgebracht werden müssen, sind fast zu vernachlässigen.

Ein mögliches Puzzleteil für eine Verbreitung mit größerer Reichweite ist daher, interessierten Menschen zu sagen: Benutzt gerne unsere Methoden, passt sie für euch an, lasst unsere Texte in eure Arbeit einfließen und wenn ihr wollt, macht sie noch besser! Am besten eignen sich dafür die sogenannten „Creative Commons“-Lizenzen.

Creative Commons ist eine gemeinnützige Organisation, die verschiedene Standard-Lizenzverträge veröffentlicht, mit welchen eine Autorin oder ein Autor einfach bestimmte Rechte an ihren und seinen Werken einräumen kann. Das bedeutet, dass unter bestimmten Voraussetzungen jeder das Werk nutzen kann. Die Autorin oder der Autor gibt damit jedoch ihr / sein Urheberrecht nicht aus der Hand. Die Creative Commons-Lizenz sind dabei nach dem Baukastenprinzip aufgebaut, jede und jeder kann sich die passende Lizenz aus sechs verschiedenen aussuchen. Eine Übersicht gibt es im Wikipedia-Artikel über Creative Commons, der wie die gesamte Wikipedia unter der CC-by-sa Lizenz steht.

Ich empfehle besonders die  Lizenz Creative Commons Attribution ShareAlike Version 3.0 Deutschland (kurz „Lizenz CC-by-sa 3.0 DE“). Sie eignet sich besonders im Kontext der Jugendverbandsarbeit, weil sie einfach zu handhaben und eine technische Portierung auf deutsches Recht ist. Dies bedeutet, dass im Lizenzvertragswerk die spezifisch deutschen Rechtsbegriffe benutzt werden und so nicht durch eine begriffliche Unklarheit ein rechtlicher Streitfall hervorgerufen werden kann. Konkret darf mit der „CC-by-sa“ Regelung jede und jeder die so lizensierten Werke in jeder Form nutzen, verändern, gar verkaufen – solange er oder sie die Autorin bzw. den Autor und die Quelle nennt („by“) und das daraus entstandene Produkt ebenfalls unter die gleiche Lizenz stellt („sa“).

Es gibt übrigens noch fünf weitere – teils striktere, teils liberalere – Creative Commons-Lizenzen. Hier möchte ich aber begründen, wieso solche Lizenzen im Allgemeinen sinnvoll sind.

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Vieles spricht dafür

Anders als etwa bei Fachbuchautorinnen und -autoren fällt ein wichtiger Punkt weg, wenn Jugendverbände entscheiden, unter welcher Lizenz ein Werk veröffentlicht werden soll: Mit den Publikationen muss nicht zwangsläufig Geld verdient werden. Die Texte werden oft ehrenamtlich geschrieben, das Geld für Design und Druck werden zu großen Teilen durch Fördergelder aus verschiedenen Töpfen bezahlt.

Mit einer Creative Commons-Lizenz wird für andere klar sichtbar, was mit einem Werk geschehen darf und was nicht. Alle einzelnen verbalen Erklärungen, wen man für welche Verwendung fragen muss, entfallen. Bei den ins deutsche Recht portierten CC-Lizenzen haben so Urheberin und Verwender Rechtssicherheit.

Die Verwenderinnen und Verwender können sich also um die Inhalte kümmern und müssen sich nicht mit rechtlichen Eventualitäten herumschlagen.

Anders als etwa bei komplett umgeschrieben Texten bleibt der Urheber bzw. die Urheberin kenntlich und auch die Originalquelle muss verlinkt werden. In diesem Fall müsste etwa dieser Text bei seiner Weiterverwendung so gekennzeichnet sein: Rapha Breyer „Freie Wege für freie Verbreitung – Creative Commons Lizenzen in der Jugendverbandsarbeit“ CC-by-sa 3.0 DE  www.raphabreyer.de. Die genaue Zitierweise meiner Blogartikel steht immer unter dem Text. Es bleibt also ersichtlich, wer den Text geschrieben hat, unter welcher Lizenz er veröffentlicht wird und auch wo das Originaldokument liegt.

Gerade letzterer Umstand macht sich z. B. bei Google Rankings von Websites bemerkbar, dem sogenannten SEO. Je häufiger Links auf Websites weisen, für desto relevanter hält Google die Seite. Dieser Effekt tritt natürlich vor allem bei erstellten CC-Inhalten auf und nicht, wenn man nur andere Inhalte auf der eigenen Seite verlinkt. Durch die Lizenzierung wird den geringeren Transaktionskosten einer Onlineveröffentlichung Rechnung getragen. Funktionierten die künstlichen Restriktionen in der Papierwelt noch, so verhindern sie heute eine weite Verbreitung in der digitalen Welt, was den Zielen der Publikation entgegenwirkt.

Auch wegen der besseren Zugangsmöglichkeiten zu Wissen würden freie Lizenzen zu den Jugendverbänden passen. Es sollen ja die Menschen Informationen erhalten, die sie benötigen und nicht nur diejenigen, die dafür bezahlen. Gerade wenn man der erste Jugendverband ist, der auf freie Lizenzen umstellt, wird dies für öffentliche Wahrnehmung sorgen. Aber Vorsicht: Dieser Vorteil könnte bald vorüber sein. Es gibt Überlegungen, dass das Veröffentlichen unter freier Lizenz für Publikationen, welche öffentlich gefördert sind, obligatorisch wird. Dies ist etwa eine Forderung des Bündnisses für Freie Bildung.

Neben den rechtlichen und praktischen Überlegungen spricht auch moralisch einiges dafür: Schon jetzt nutzen Jugendverbände freie Bilder, Töne und Videos für ihre Zwecke. Auch wenn es rechtlich meist in Ordnung ist, die daraus entstandenen Publikationen unter klassischem Urheberrecht zu veröffentlichen, etwa weil die gewählte Lizenz des Originalmaterials eine Weitergabe unter gleichen Bedingungen nicht verlangt (also keine „sa“-Klausel beinhaltet), so wäre es doch moralisch besser, diese auch für andere zur Weiterverarbeitung zur Verfügung zu stellen. Man schneidet also die Weiterverwendungskette nicht ab, sondern knüpft wohlwollend an diese gute Idee an.

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Herausforderungen

Die oben beschriebenen Punkte sprechen dafür, aber natürlich muss man auch Dinge beachten, wenn man von einem bisherigen System abweicht. Eine Umstellung kostet Zeit und Energie.

Wenn man in Zukunft Artikel, Bilder und Publikationen unter eine neue Lizenz stellen will, muss man die bisherige Datengrundlage prüfen. Dazu gehört, dass bisheriges Material gesichtet und gegebenenfalls geändert wird. So werden die meisten der bisher in einer Bilddatenbank hinterlegten Bilder nicht explizit unter einer solchen Lizenz veröffentlicht worden sein. Je nach dem wie akribisch und sorgsam die Absprachen mit Fotografinnen und Fotografen geführt und dokumentiert wurden, muss hier mit den Urheberinnen und Urhebern der Bilder und auch der Texte ins Gespräch gekommen werden. Es ist möglich Bilder und Texte nachträglich mit einer freien Lizenz zu versehen. Dies kann jedoch nur vom Urheber geschehen. Ich denke, dass dies bei den meisten Fotografinnen und Fotografen mit einer Erklärung der Hintergründe möglich sein wird. In die andere Richtung ist es natürlich aus technischen Gründen nicht möglich. Wenn etwas einmal unter freier Lizenz veröffentlich wird, kann diese Erlaubnis nicht durch eine nachträgliche Einschränkung der Rechte zurückgezogen werden. Dies widerspräche einer rechtssicheren Verwendung.

Noch wichtiger ist vom Moment der Umstellung an saubere Absprachen mit Materialerstellerinnen und -erstellern zu treffen. Wenn sich alle darüber im Klaren sind, dass der Jugendverband von nun an unter dieser Lizenz veröffentlichen will, wird wohl kaum eine/r der ehrenamtlichen Autorinnen und Autoren oder aufwandsentschädigten Fotografinnen und Fotografen ein Problem damit haben. Dies muss aber explizit geregelt sein. Damit kann für die Zukunft eine öffentlich nutzbare Datenbank mit Jugendverbandskontext entstehen. Dies wiederum hätte auch zur Folge, dass Presseerzeugnisse außerhalb der Jugendverbandsarbeit auf authentische und ansprechende Bilder zugreifen können und nebenbei durch die Angaben zu Fotografin und Fotografen und Institution nochmals Werbung für beide machen.

Ein augenscheinlicher Nachteil, der in der Praxis jedoch kaum einen Einfluss haben wird, ist die Nachverfolgbarkeit der Verbreitung. Hierfür müssen einfach andere Tools benutzt werden. Bis jetzt muss für den Einzelfall nachgefragt werden, ob Materialien weiterverwendet werden dürfen. Mit einer guten Dokumentation der Anfragen und Erlaubnissen kann so beobachtet werden, wo diese eingesetzt werden (dürfen). Das dürfen spielt hier eine große Rolle: Meiner Einschätzung nach sind die Fälle in denen um eine Freigabe gefragt wird nur die Spitze des Eisberges. Die meisten Dinge werden ungefragt übernommen. Das wird auch unter einer CC-by-sa Lizenz nicht viel anders laufen – machen wir uns darüber nichts vor. Nur wird dadurch schneller, einfacher und sicherer kommuniziert und informiert, was geht und was nicht. Die Schwelle der legalen Nutzung wird niedriger. Wer die Materialien nun lizenzkonform benutzt kann über Umwege auch herausgefunden werden. So muss für alle digitalen Veröffentlichungen ein Link zum Originalmaterial angegeben werden. Wer auf dieses Material verlinkt kann über Pingbacks via Piwik oder google analytics leicht herausgefunden werden. Für die Überprüfung der Verbreitung wir also lediglich der Workflow ein anderer sein, die Übersicht bleibt dieselbe.

Natürlich kann man mit einer freien Lizenz niemandem verbieten das Material zu verbreiten. So können auch Personen und Gruppen Bildmaterial benutzen, um es in einem anderen Kontext darzustellen und so vielleicht die Aussage verfälschen. Jedoch auch diesen Fakt versucht die Lizenz einzudämmen. So ist explizit geregelt, dass nicht der Eindruck erweckt werden darf, dass die/der Lizenzgeber/in eine Veröffentlichung und damit den Zusammenhang aktiv unterstützt oder normativ gut findet. Wurde das Original verändert muss dieses ebenfalls angegeben sein.

Conclusio

Alles in allem überwiegen für mich die Vorteile einer Lizenzierung von Materialien unter Creative Commons Lizenzen, speziell der CC-by-sa Lizenz. Ich sehe es als Serviceleistung von Jugendverbänden gegenüber ihren Mitgliedern, um diesen die Arbeit zu erleichtern. Eine win-win-Situation wird dann daraus, wenn sich dadurch auch die Reichweite des Gesamtverbandes erhöht und so die Materialien und damit auch die Ziele der Jugendverbandsarbeit verbreitet werden. Auch gegenüber Politik und Gesellschaft kann durch eine Umstellung gezeigt werden, dass die Jugendverbände progressiv und zukunftsgewandt handeln sowie einen wichtigen Beitrag zu Demokratisierung von Wissen leisten.

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Nicht nur reden, sondern machen

Die Idee der Veröffentlichung von Publikationen unter freier Lizenz hängt für mich direkt mit der Überarbeitung der Arbeitshilfe Kritischer Konsum der DPSG im Bundesarbeitskreis Internationale Gerechtigkeit zusammen an der ich beteiligt war. Wir sind den Weg gegangen die Entscheidung über die Art der Veröffentlichung direkt mit den Autorinnen und Autoren zu besprechen und bei jeder und jedem einzeln um eine Erlaubnis zu fragen. Keiner hat Widerspruch eingelegt. Manche Methoden, die uns für die Arbeitshilfe unverzichtbar schienen, mussten nachträglich mit den Urheberinnen und Urhebern verhandelt werden. Bei manchen Bildern mussten wir nach freien Alternativen suchen. Dank der Sucheinschränkungen bei der Google-Bildersuche nach Bildern, die für eine solche Verwendung freigegeben sind, kein Problem. Das Ergebnis ist nun eine Arbeitshilfe, die sich nicht nur inhaltlich sehen lassen kann, sondern die jede und jeder weiterverwenden darf, um die Inhalte in die Welt zu tragen.

Jede und jeder kann diese Arbeitshilfe herunterladen, verändern, überarbeiten, anpassen, ausbauen und weiterverbreiten. Einzige Bedingung ist dabei, die Lizenzbedingungen einzuhalten.

Alle Bilder in diesem Artikel von www.pixabay.com CC0 public domain.

Ergänzung 24.03.2015
Auf eine gute Abwägung zur Nutzung des Moduls noncommercial gibt es in einer Broschüre von irights.info hier.
Danke für die Ergänzung Sebbo.

CC BY-SA 3.0 DE
Inhalte auf raphabreyer.de stehen i.d.R. unter freier Lizenz (Näheres im Impressum ). Der Artikel „Freie Wege für freie Verbreitung – Creative Commons Lizenzen in der Jugendverbandsarbeit“ (Text) steht unter der CC BY-SA 3.0 DE Lizenz. Der Name des Autors soll wie folgt genannt werden: Rapha Breyer.

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