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Kluft an und Klappe auf! – Ist Pfadfinden politisch?


Wir leben in einer komplizierter werdenden Welt. Zumindest in meiner subjektiven Wahrnehmung wirkt die Wirklichkeit komplizierter als je zuvor. Die Absprachen auf europäischer Ebene, der Umgang mit Geflüchteten und deren Auswirkung auf die Gesellschaft in Deutschland sind nicht absehbar und verunsichern einige Menschen. Wie sollen wir uns als Pfadfinderinnen und Pfadfinder dazu verhalten? Wie politisch ist Pfadfinden? Was sind die Werte unserer Bewegung und wie können wir für sie einstehen?

Zum ersten Mal las ich darüber in einer Gruppe der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG), auf Facebook im Januar 2015: „Pfadfinder sind unpolitisch. Ihr könnt doch nicht mit Kluft auf eine Anti-Pegida-Demo gehen“, hieß es dort sinngemäß. Ich hatte mir die Frage nie gestellt, war aber schnell der Meinung, dass dies nicht nur ok, sondern vielleicht sogar notwendig ist. Aber Einschätzungen sind persönlich. Was ist denn unser Auftrag als Pfadfinderinnen und Pfadfinder?

Wir beschreiben in unserer Ordnung, dass es unser Selbstverständnis ist, das wir die Gesellschaft mitgestalten, dies formulieren wir sogar als unseren Auftrag. „Die DPSG praktiziert und fördert politisches Handeln, um die Rechte von Kindern und Jugendlichen weltweit zu wahren, für Frieden in Nah und Fern einzutreten [und] für Gerechtigkeit zu sorgen.“ (Ordnung des Verbandes S.12) Wir sind „aufgefordert, gesellschaftspolitische Zusammenhänge zu erkunden, zu bewerten, Aussagen zu treffen und nach Handlungsmöglichkeiten zu suchen und diese umzusetzen.“ (Ordnung des Verbandes S.13) Dies formulieren wir auch in unserer „Verantwortung gegenüber anderen“ bei den Grundorientierungen des Verbandes. „Als Mitglieder der DPSG stehen wir in der Verantwortung zur Mitgestaltung der lokalen, nationalen und internationalen Gemeinschaft. Wir leisten einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft.“ (Ordnung des Verbandes S.16) Das politische Handeln an sich ist also unser klarer Auftrag.

Dies ist übrigens nicht eine Erfindung der DPSG, sondern war auch schon bei Baden Powell Thema. Neben Charakterstärke, Gesundheit und Geschick forderte er seine Pfadfinder auch zur Dienstbereitschaft auf. Darunter verstand er die für eine Demokratiefähigkeit wichtigen Qualifikationen wie Eigeninitiative, Selbstständigkeit, Handlungsfähigkeit und Handlungsbereitschaft. Dies zeigt Hans E. Gerr in seinem Buch „Pfadfinden – Weg einer Selbsterziehung zum werteorientierten Handeln.“ Er beschreibt das Ausprobieren von Engagement im Pfadfinden als Schlüsselerlebnisse, die Auswirkungen auf politisch-soziale Lernprozesse der Jugendlichen haben und damit zur Weiterentwicklung der Demokratie in der Gesellschaft beitragen. (S.16)

Scoutside 2013

Auch das Ziel unseres Handelns ist klar: Hin zu mehr Gerechtigkeit und Frieden. Es gilt also nicht abzuwarten, sondern aktiv darauf hinzuwirken, dass „internationale Freundschaft und Solidarität, Partnerschaft und Zusammenarbeit“ (Ordnung des Verbandes S.16) gelingen können. Unsere Themen sind dabei Kinder- und Jugendrechte, Solidarität mit anderen, Umwelt und Ressourcenschutz sowie Gerechtigkeit und Toleranz. Gerade den letzten Punkt hat die 80. Bundesversammlung der DPSG im Antrag „Wir sind fremdenfreundlich“ nochmals hervorgehoben:

Als Pfadfinderinnen und Pfadfinder heißen wir unsere Mitmenschen willkommen, gerade wenn sie in Not oder bedroht sind. Wir treten Vorurteilen und rassistischen Parolen aktiv entgegen. Pfadfinderinnen und Pfadfinder stehen Fremden nicht feindlich gegenüber, sondern offen und interessiert.
[…]
Pfadfinden ist fremdenfreundlich!

Wir sind FriedenspfadfinderInnen!
Wenn Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, wie Clausewitz schon im 19. Jahrhundert gesagt hat, dann verhindert gute Politik Krieg. Solange es für alle Menschen Partizipationsmöglichkeiten gibt und Entscheidungen demokratisch getroffen werden, hilft dies Gewalt und Krieg zu verhindern. Wir als Pfadfinderinnen und Pfadfinder gehen aber noch weiter: Wir wollen nicht nur Krieg verhindern, wir wollen Frieden. Positiv formuliert ist Frieden die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit, demokratische Partizipation, Rechtstaatlichkeit und die Garantie menschlicher und sozialer Sicherheit.

Gegen all dies wettert die neue populistische Rechte. Sie schürt Neid auf andere, stellt demokratische Strukturen in Frage und zumindest duldet sie, dass soziale und menschliche Sicherheit durch Übergriffe auf Geflüchtete und die Unterkünfte, in denen sie leben sollen, gefährdet werden. Das alles ist nicht mit einem sozialen Frieden vereinbar und dem müssen wir uns als Pfadfinderinnen und Pfadfinder entgegenstellen.

Aber dabei darf es nicht aufhören. Unsere Verantwortung geht über die Bekämpfung von Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus hinaus. Durch unser Handeln für Geflüchtete, finanziell Schlechtergestellte, Menschen mit Behinderung und Kinder und Jugendliche im allgemeinen helfen wir die demokratische Grundordnung zu schützen und soziale Gerechtigkeit zu fördern.

In diesem Sinne: Kluft an und Klappe auf!

Scoutside 2013

 

Ordnung der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg
80. BV Antrag 23 – Wir sind fremdenfreundlich

Alle Bilder: Sebastian Kuß, CC BY-NC 3.0

CC BY-SA 3.0 DE
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