In den ersten 30 Minuten in Philadelphia haben mich mehr Menschen angesprochen und angelächelt, als in einer Woche New York. Das war bezeichnend, auch wenn der Grund dafür eher profan war: Ich wartete darauf, von Tyler abgeholt zu werden und stand zwischen zwei Schlangen die sich für unterschiedliche Busrouten gebildet hatte. „No, this is not the BoltBus line, that one is over there…“
Jedoch zeigte mir schon diese kurze Zeit die andere Stimmung im Vergleich zu New York. Die Stadt wirkte von vornherein freundlicher und offener. Tyler holte mich ab, cool, mit Sonnenbrile, entschuldigte er sich für sein verranzt aussehendes Auto und fuhr mit mir nach South Philly. Breite Straßen, große Autos, flach. Das meiste ein bisschen heruntergekommen, aber nicht schmuddelig.
Seit dem wohne ich nun auf der Couch im Wohnzimmer des „Fortress of solid dudes“.
Der Name ist die persiflierte Antwort auf das „Fortress of solitude“, wie ein Wifi-Netzwerk in der Nachbarschaft heißt, passt aber gut zur Stimmung im Haus.
Die drei Jungs die hier wohnen strahlen alle ein gewisses Selbstverständnis für ihre leicht verrückte Art aus. Taras und Denham, die nach ihrem Nachnamen gerufen werden, weil sie beide Mike heißen, komplettieren Tylers WG. Taras ist Fahrradkurier und eben genau so verrückt wie man sein muss, um im Verkehrschaos zwischen Autos und Fußgängern am schnellsten seinen Auftrag zu erledigen. Denham arbeitet als Schweißer auf Industriebaustellen, macht das aber nur, weil man dabei gutes Geld verdienen kann was man dann auf coolen Parties ausgeben kann. Tyler ist der ruhigste von den dreien, ein belesener und behörter Kerl, der als Barista in einem Kaffee arbeitet und dem man die Liebe für das was er tut gerne abnimmt. Er war eine Zeit lang in Tübingen, spricht sehr gut Deutsch und versteht viel von dem was mich über Amerikaner wundert. Der Kontakt zu ihm kam über eine gemeinsame Freundin zu Stande, die meinte ich müsse ihn besuchen wenn ich in den Staaten bin.
Ich wohne wie gesagt in South Philly, ein Teil der Stadt, der den Charme von Neukölln, die Kreativität von Altona und den Getrifizierungsgrad der Heidelberger Weststadt mit Weite und Größe zu verbinden scheint. Kleine, feine Kaffes in welchen der Barista auch mal jubelt, wenn ihm die Cappuchinodekoration gut gelungen ist. Eine Bar mit einer 10 Meter langen Kühlschrankwand welche von jeder Sorte nur eine Flasche vorne stehen hat und bei der diese Quantität auch vor dem Qualitätsanspruch eines deutschen Biertrinkers sehen lassen kann.
Zum einen ist Philly damit genau das Amerika, das man sich so gemein hin vorstellt: Große Autos mit Ladeflächen die niemand zu brauchen scheint, riesige Einkaufsmalls, recht neue alte Gebäude.Zum anderen ist es das nicht: Kleine coole Bars, gutes Bier, Menschen mit Geschmack und ein bisschen Underground. Gefällt mir.
Sehr schön ist es auch einen Reiseführer wie Tyler zu haben und mit ihm durch Philadelphia zu laufen. Schöne Ecken zu entdecken, gute Geschichten darüber zu hören.
Ihr seht also, es passiert viel und es geht mir gut. Das einzige was dabei ein bisschen zu kurz kommt ist das zeitaufwändige Videoschneiden. Ich mache mich da aber später ran, versprochen.
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