Indien, Textil
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T-Shirt City – Fluch und Segen der Textilindustrie

Als Girish mich vom Flughafen abholt, fahren wir 40 Minuten von Coimbatore nach Tirupur auf einem Highway. An der Stadtgrenze, die keine ist, beginnen die Häuser größer zu werden. „Alles Textilfabriken“, sagt Girish. „Diese hier auch, und diese hier“, zeigt er auf vorbeiziehende Häuser. „Für solch große Fabriken wird es aber bald zu teuer sein hier. Für Massenproduktionen steigen die Löhne zu schnell.“

Alles in Tirupur hängt an den Textilien. Wer nicht mit Textilien sein Geld verdient, verdient sein Geld mit dem Menschen die mit Textilien ihr Geld verdienen. In dem er ihnen Häuser vermietet, Essen zubereitet oder deren Motoroller wartet.

Das ist Fluch und Segen zugleich. Vor 40 Jahren gab es hier vor allem Landwirtschaft. Dann fiel über Jahre kein Regen und es musste eine andere Beschäftigung her. Mit der Textilproduktion kam Arbeit zurück nach Tamil Nadu. Aber auch negative Extreme wurden sichtbar: Bunt gefärbtes Wasser in den Flüssen, überforderte Infrastruktur und  teilweise schlechte Bezahlung der Arbeiterinnen und Arbeiter.

Das Problem der Färbemittelabwässer hätte die Politik lösen müssen, tatsächlich haben es Richter getan: 2011 mussten alle Färbereien ohne angeschlossene Kläranlage schließen. Das Problem wurde aber nur verlagert: in angrenzenden Distrikten öffneten neue Färbereien bis sich die Politik zum Aufbau bzw. Unterstützung beim Bau von Kläranlagen durchrang. So hilft also Indien mit, das billige T-Shirts weniger Umweltschäden anrichten.

Loehne TirupurDie teilweise sehr niedrigen Löhne sind gestiegen, allein auf Grund der größeren Nachfrage nach Arbeitskräften. Näherinnen und Näher haben inzwischen eine sehr gute Verhandlungsposition und entscheiden welche Arbeit sie annehmen. So finden sich auch Arbeiter aus ganz Indien, vor allem aber aus den ärmeren, landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten in Tirupur.

Während der Mindestlohn in Tamil Nadu 140 INR (nach aktuellem Wechselkurs: 2,20 €) je 8-Stunden-Schicht beträgt sind in Tirupur viele Stellen für 250 IRN je 8-Stunden-Schicht ausgeschrieben. Bei Mila bezahlen wir 380 INR (also über das doppelte des gesetzlichen Mindestlohns). Das ergibt ca. 9500 INR (etwa 150 €) pro Monat und trifft damit den berechneten Asian Floor Wage für die Region.

Generell glaubt Girish daran, dass sich die Löhne in Tirupur so schnell nach oben schrauben, dass es in 5 Jahren nicht mehr möglich ist hier billige Massenproduktionen herzustellen. Schon heute wird das Gros der Billigware in Bangladesh produziert- wo auch große indische Firmen ihre Nähereien hin verlagerten. Viele Hersteller werden verschwinden oder sich Nischen suchen müssen.

IMG_5577„Unsere Näherei“ hat eine solche Nische gefunden: Fairtrade-Biobaumwolle in guter Qualität, hergestellt von Menschen die das bekommen was sie verdienen: Gutes Geld für gute Arbeit. Und wir haben Kunden die Wissen, warum sie bei uns gerne etwas mehr bezahlen.
Jetzt heisst es: diese Nische weiter zu vergrößern um mehr Menschen faire Löhne bezahlen zu können und noch mehr Baumwolle zu fairen Preisen von hart arbeitenden Bauern kaufen zu können.

CC BY-SA 3.0 DE
Inhalte auf raphabreyer.de stehen i.d.R. unter freier Lizenz (Näheres im Impressum ). Der Artikel „T-Shirt City – Fluch und Segen der Textilindustrie“ (Text) steht unter der CC BY-SA 3.0 DE Lizenz. Der Name des Autors soll wie folgt genannt werden: Rapha Breyer.

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