Nachhaltigkeit, Textil
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Das DM Taschengate und seine bio faire Komponente

Die Wogen schlagen zu Recht hoch in den letzten Tagen. Worum es geht? Pia Drießen hatte entdeckt, dass die DM-Pfandtaschen nun nicht mehr von Manomama gefertigt werden, sondern jetzt aus Indien kommen. Seither zeigt sich auf Twitter unter #taschengate berechtigte Verärgerung. Die Kundinnen und Kunden darüber nicht zu informieren, zeugt mindestens von schlechtem Stil seitens DM, wenn es nicht sogar vorsätzliche Verbrauchertäuschung ist. „Manomama“ Sina Trinkwalder behauptet, dass sie erst durch den Blogpost erfahren hat, dass DM auch Taschen anderer Produzenten in ähnlichem Design anbietet. Stimmt dies, kann man wohl das Geschäftsverhältnis auch nicht gerade vertrauensvoll nennen.

Mein Ansatzpunkt ist aber ein anderer: In mehreren Posts zum Thema ging es um die Frage „bio und fair“ versus „Produktion in Indien“. Exemplarisch der Tweet von @perleralations:

Dies empfinde ich als eine unzulässige Vermischung der Faktoren. Man kann nämlich sehr wohl bio und fair in Indien produzieren und es gibt weitere Gründe, warum eine Produktionsverlagerung von Manomama nach Tiruppur in Indien sinnvoll sein kann.

Hier eine unvollständige Aufzählung:

Färberei in Tiruppur/Indien, (Rapha Breyer CC-by-sa 3.0 DE)

Entwicklungspolitische Gründe

Ein großer Faktor für die Armut in den rohstoffreichen Ländern des globalen Südens ist der direkte Export dieser Rohstoffe ins Ausland. Dieser bedeutet, dass die gewinnbringenden Veredelungsprozesse anderswo stattfinden und dort das Geld verdient wird. Aus entwicklungspolitischer Sicht ist es also wichtig, dass so viele Weiterverarbeitungsprozesse wie möglich im Ursprungsland ablaufen. Dies schreibt auch DM in seiner Pressemittteilung zum Thema.  Ein gutes Beispiel ist die Demokratische Republik Kongo, die trotz massiver Rohstoffvorkommen immer weiter verarmt. Das Gleiche gilt jedoch auch für Indien. Etwa 100 Mio. Inderinnen und Inder leben vom Baumwollanbau und der Weiterverarbeitung. Alle Produktionsstufen der Textilproduktion können in Indien in guter Qualität geleistet werden. Je weiter das Produkt also dort verarbeitet wird, desto besser für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Preise

Natürlich kann bei einem wirtschaftlichen Produkt auch der Preis eine Rolle spielen. Es ist jedoch schwierig zu mutmaßen, ob dies beim DM-Taschen-Beispiel einen großen Unterschied macht. Generell sind die Zahlen zu Preisberechnungen eher mit Vorsicht zu genießen. Die neue Tasche von DM ist deren Angaben zufolge nach dem Biostandard GOTS hergestellt. Das bedeutet, dass von der Baumwolle bis zum Verkauf nach Biokriterien produziert werden muss und außerdem grundlegende Sozialstandards überprüft werden. Das heißt, Kinderarbeit ist genau so verboten, wie etwa Zwangsarbeit. Die Einhaltung dieser Standards kostet Geld, genau so wie deren Überprüfung.

Das bedeutet, dass der Preisunterschied zu den mit persönlichen und staatlichen Subventionen bei Manomama hergestellten Taschen wahrscheinlich nicht all zu groß ist. Wissenswert hierzu ist, dass die Bilanz von Manomama seit Jahren hohe Defizite aufweist und dass Manomama sicherlich von der Arbeitsagentur Zuschüsse zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen bezieht. Das zeugt von persönlichem Engagement und ist lobend zu erwähnen, gehört aber zu einer vollzähligen Aufzählung dazu.

Externe Zertifizierungen

Manomama propagiert auf der Website Sinn statt Siegel. Ich würde es durch: Marketing statt Kontrolle ergänzen. Niemand prüft, ob Manomama die selbst gesteckten Kriterien einhält, da müssen wir den Aussagen des Unternehmens einfach glauben. Damit gibt es dort dieselben Probleme wie im Kaffee-Direkthandel.  Zwar wird auf der Seite von Manomama darauf hingewiesen, dass GOTS und IVN, zwei der führenden Biosiegel, als Grundlage benutzt werden. Doch nach diesen Kriterien zu produzieren, ohne dies auch überprüfen zu lassen, halte ich in diesen Größenordnungen für fahrlässig. Alleine schon um sich vor kriminellen Zulieferern und Mittelsmännern und -frauen zu schützen, wäre eine Zusammenarbeit mit den Siegel-Organisationen sinnvoll.

Das Bündnis von Manomama mit Bioland, welches auf der Biofach 2013 vorgestellt wurde, darf auch auf keinen Fall mit einer Zertifizierung verwechselt werden. Es handelt sich dabei um eine reine Marketingkooperation. Auf Nachfrage bei Bioland wird dies klar. Es gibt keine Kontrollen zu den 7 Prinzipien,  welche die exklusive Zusammenarbeit regeln. Außerdem werden einige Punkte auf Nachfrage durchaus flexibel definiert: „Regionale Herstellung“ bedeutet zum Beispiel nach Auskunft bei Bioland in diesem Fall: Wenn möglich deutschsprachiger Raum.

Es ist also durchaus möglich, dass DM sich durch externe Zertifizierungen zusätzlich absichern wollte. Das bietet ihnen Manomama nicht.

Entkörnte Baumwolle in Orissa/Indien (Rapha Breyer CC-by-sa 3.0 DE)

Produktionszeit, Qualität, Zuverlässigkeit

Auch wenn es sich komisch anhört, so ist die Näherei von Manomama mit ihren 100 Nähmaschinen eine sehr kleine Produktionsstätte. In Tiruppur haben die Fabriken zum Teil 5000 und mehr Mitarbeitende. Außerdem ist der Output durch die oftmals ungelernten Arbeiterinnen und Arbeiter in Augsburg sicherlich kleiner. Man muss der Vollständigkeit halber hinzufügen, dass dies auch nicht der Hauptfokus von Manomama ist. Dieser Fakt könnte jedoch Einfluss auf die Produktionsvorlaufzeit haben. Wenn die Taschen in einer gewissen Zeit nicht geliefert werden können, muss der Auftraggeber nach einem Ergänzungsproduzenten suchen. Und DM gibt an, auch weiterhin einen Teil der Taschen bei Manomama in Augsburg produzieren zu lassen.

CO2Ausstoß

Eine Tasche aus Tiruppur kann einen geringeren CO2-Ausstoß als eine Tasche aus Augsburg haben. Was sich zunächst verwirrend anhört, kann durchaus so sein. Ausschlaggebender als Transportkilometer sind für die CO2-Bilanz eines Produktes die Anbaubedingungen, Transportmengen und die Transportmittel. Während die Baumwolle in Indien von den Anbaugebieten im Norden als Garn oft per Zug nach Tiruppur und von dort aus als fertiges Produkt per Schiff nach Europa transportiert wird, werden die kleineren Mengen Baumwolle aus der Türkei oft mit dem LKW durch Europa transportiert. Auch hier ist das Problem, dass keine belastbaren Zahlen vorliegen. Der Zusammenhang näher=besser gilt jedoch nicht ungeprüft.

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Alles in allem muss ich sagen, dass ich es von DM unverschämt gegenüber Zulieferern und Kundinnen finde, das Produkt von einem Produzenten zu einem anderen zu verlagern, ohne darüber zu informieren. Weniger fair und weniger bio ist das Produkt jedoch deshalb noch lange nicht! Deshalb ist eine Vermischung dieser Faktoren schlichtweg falsch.

Es wird sich zeigen, welche Wendungen diese Geschichte in den nächsten Tagen noch nehmen wird.

Update (14.11. 17:05):
In einer früheren Version stand, dass die geringe Textilerfahrung von Manomama Auswirkungen auf die Qualität der Produkte haben könnte und dass dies ein Grund für die Verlagerung sein könnte. Nach Hinweisen habe ich diese Formulierung entfernt.

Auch nach Hinweis von Sina Trinkwalder per Twitter stelle ich hier nochmals klar: Ich habe für einen Hersteller bio fairer Textilien gearbeitet, stehe aber in keinem Geschäftsverhältnis mehr zu 3FREUNDE. Dadurch verliere ich natürlich nicht mein Wissen und meine Kenntnisse zu den Produktionsbedingungen in Indien und zur nachhaltigen Textilproduktion.

CC BY-SA 3.0 DE
Inhalte auf raphabreyer.de stehen i.d.R. unter freier Lizenz (Näheres im Impressum ). Der Artikel „Das DM Taschengate und seine bio faire Komponente“ (Text) steht unter der CC BY-SA 3.0 DE Lizenz. Der Name des Autors soll wie folgt genannt werden: Rapha Breyer.

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