Jugendarbeit, Medien
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Ehrenamt und Freiwilligendienst bei ZDF Login

Am Ende werden sich beide falsch verstanden gefühlt haben. Prof. Stefan Selke, da es so wirken konnte, als wolle er freiwillig engagierten ihr Ehrenamt verbieten und Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl (CSU), da sie die Substituierung von Pflegefachkräften durch ungelernte und unterbezahlte Freiwillige zu verteidigen schien. Das kann niemand so zufriedenstellen. Hier die ganze Sendung in der ZDF Mediathek anschauen.

Beide hatten einen anderen Punkt den sie bei der ZDF Login Sendung zur Geltung bringen wollten: Prof. Selke sprach sich dagegen aus, dass qualifizierte Jobs im Aufgabenbereichen des Staates in durch sozialen Druck unfreiwillige Freiwilligenstellen umgewandelt werden. Dagmar Wöhrl wollte dafür werben, dass ehrenamtliche Tätigkeiten der soziale Kitt der Gesellschaft sind und gefördert werden müssen. Beides legitime Punkte, denen ich auch persönlich zustimmen kann. Leider sprachen die beiden im Eifer des Rededuells total an einander vorbei.

Diese Verdichtung und auch Unruhe bringt bei ZDF Login immer wieder gute Erkenntnisse. Dadurch unterscheidet sich das leider in die unöffentliche Ecke des öffentlich-rechtlichen Fernsehen verbannte Sendung von gebetsmühlenartig vorgetragenen und vorbereiteten Statements die bei Jauch und Co zu hören sind. Moderator Wolf-Christian Ulrich kann bei dieser mehr einer Jonglage gleichenden Diskussion seine Stärke der blickschnellen Reaktion auf geänderte Rahmenbedingungen ausspielen. Das Format versucht dadurch die Dynamik des Netzes in die Linearität des Fernsehens zu bringen.

Diesmal blieb es aber beim Versuch, es wirkte aber eher wie ein Twitterbattle ohne Hashtag. Das Thema war einfach nicht präzise genug. Deshalb hier der Versuch ein bisschen Ordnung und auch eigenen Hirnschmalz in die Diskussion zu bringen.

Ehrenamt
Menschen sind bereit ohne direkten ökonomischen Nutzen Tätigkeiten zu übernehmen. Es gibt dafür viele Gründe: Anderen etwas zurückgeben, was man selbst erfahren hat. Freundschaft. Das Gefühl sich gut zu fühlen, weil man etwas Gutes getan hat. Oder schlicht, weil man nichts Besseres zu tun hat.

Doch auch im Ehrenamt geht es um Verbindlichkeit, Verantwortung und auch Professionalität. Nur weil kein Geld fließt ist es weder beliebig, noch unprofessionell. Man bedenke nur etwa die Feuerwehren oder die Ärzte ohne Grenzen.

Ehrenamtler leisten oft Aufgaben die andere Motivation als Geld erfordert, in gesellschaftlichen Bereichen die ökonomisch nicht verwertbar sind oder schlecht zentral geregelt werden können. Dies ist zum Beispiel in der außerschulischen Bildung und im Freizeitbereich der Fall. Dazu kommt noch der entwicklungspolitische Bereich oder auch der Faire Handel. Staat und Gesellschaft können Ehrenamt dadurch unterstützen, dass zur allgemeinen Anerkennung durch Schulterklopfen und Ehrenamtspreisen noch eine finanzielle Zuwendung kommt. Denn auch wenn die ehrenamtlich Tätigen kein Geld bekommen, so ist nicht alles kostenlos. Maßgeblich für gute Arbeit ist eine langfristige Grundstruktur die gefördert werden muss. Mitarbeitende, Büros, Fahrtkosten, Fortbildungen & Material, um nur ein paar Punkte zu nennen. Das muss sich der Staat leisten wollen um die Bürger bei Ihrem Engagement zu unterstützen.

Freiwilligendienst
Auch die Idee des Freiwilligendienstes kommt aus einer ähnlichen Denkrichtung: Die monetäre Motivation ist nicht ausschlaggebend, zumindest nicht kurzfristig. Kurzfristig muss bei Freiwilligen, wie bei den Organisationen der Freiwilligenstellen der Bildungs-und Ausbildungsaspekt wichtig sein. Im Gegenteil zu einer Berufsausbildung im klassischen Sinne geht es aber weniger um die handwerklichen Tätigkeiten, sondern um soziale und organisatorische Lernprozesse – klassische Softskills. Was kann ich erreichen? Was brauche ich? Wie funktioniert ein professionelles Umfeld? Gerade bei entwicklungspolitischen Freiwilligendiensten kommt dann noch die andere Perspektive dazu: Wie geht es uns in Europa, wie geht es anderen? Welchen Einfluss hat mein Leben auf das von anderen?

Was dabei noch wichtig ist, hatte ich Rahmen meines Rapha in Ruanda Blogs als Meinungsäußerung zum Weltwärtsprogramm geschrieben.

Was Prof Selke, wie mich auch, jedoch stört, ist der Trend, Menschen die einen Freiwilligendienst leisten Aufgaben zuzuweisen, für die sie nicht ausgebildet sind und bei denen der Lernaspekt im Hintergrund steht. Statt wie eigentlich vorgesehen zum Beispiel in der Freizeitgestaltung im Altenheim zu arbeiten, wie ich einen großen Teil meines Zivildienstes, gibt es immer mehr Freiwillige die Pflegekräfte sind und außer der Ausgabe von Medikamenten alle Tätigkeiten übernehmen. Dadurch spart sich der Staat Geld, die Qualität der Pflege leidet und Freiwillige werden dafür ausgenutzt.

Beide Punkte, Ehrenamt und Freiwilligenstellen, können also kontrovers diskutiert werden, aber schön nacheinander und nicht gleichzeitig. Sonst fühlen sich am Ende alle falsch verstanden und außer Frust bleibt nicht viel.

CC BY-SA 3.0 DE
Inhalte auf raphabreyer.de stehen i.d.R. unter freier Lizenz (Näheres im Impressum ). Der Artikel „Ehrenamt und Freiwilligendienst bei ZDF Login“ (Text) steht unter der CC BY-SA 3.0 DE Lizenz. Der Name des Autors soll wie folgt genannt werden: Rapha Breyer.

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