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Wie ich mich von der Anne Will Redaktion getäuscht fühlte

Screenshot von annewill.de

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Vergangenen Sonntag in Berlin. Um 20.15 Uhr lag ich auf der Couch und sah mir natürlich den Tatort an. Schnell war klar, dass der Kriminalfall dieses Mal wohl nicht die Hauptgeschichte in Saarbrücken spielen sollte. Es ging um aus Afghanistan heimgekehrte Bundeswehrsoldaten die mit ihren dort erlebten und erlittenen Problemen hatten sich zurück an der Heimatfront (so der Titel des Tatorts) zu Recht zu finden. Sie kamen mit dem Alltag nicht klar, waren körperlich und seelisch verwundet. Eine große Rolle spielte die Einheit der Soldaten als Gruppe und deren Ehre. Verschwiegenheit, abgesprochene Aussagen und gegenseitiges Decken erschwerten den Kommissaren die Ermittlungen.

Zum Ende des Tatorts dachte ich mir, dass diese Thema wirklich in der öffentlichen Debatte ein bisschen kurz kommt: Was passiert mit den einzelnen Personen, die im Namen unseren Landes in Afghanistan dienen, nachdem sie wieder hier sind? Wer kümmert sich darum?

Screenshot von annewill.de

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Anne Will fing an. Thema „Im Krieg gedient, zu Hause ausgedient“. Ich war der Hoffnung, dass es eine gute Diskussion geben würde. Zuerst ein relativ langes Einstiegsinterview mit Heike Groos, die zwischen 2002 und 2008 als Ärztin für die Bundeswehr in Afghanistan war. Eine Frau die weiß wovon sie redet. Mit einem kleinen Dialekt in der Stimme und mit teilweise derben Worten beschrieb sie was ihr wiederfahren war. Ich hörte ihr gerne zu. Nicht von Anfang an der pseudo intellektuelle Schlagabtausch von immer den gleichen Personen.

Nun die große Gesprächsrunde: Matthias Mattusek, Dirk Niebel, klar. Dazu Jürgen Todenhöfer (Publizist und Autor) und Thomas Ostermeier (Theaterregisseur). Dass Gespräch entwickelt sich gut. Es geht um Argumente die für das Thema relevant scheinen. Bald triftet es jedoch zu einer recht populistischen „Afghanistan-Krieg, ja oder nein?“-Diskussion aus.

Anne Will nimmt die Diskussion zurück zum Thema. Dies gelingt ihr aber nicht wirklich, da Todenhöfer völlig am Thema vorbei noch populistischer von toten armen kleinen afghanischen Kindern berichtet, die er auf Photos in die Runde hält. Das einzige was er in der ganzen Sendung zum eigentlichen Thema beizutragen hat ist ein „natürlich ist es schlimm was mit den traumatisierten deutschen Soldaten passiert, aber die afghanischen Kinder…“. Schade. Es wäre schön, wenn Gäste einer solchen Sendung etwas zu deren Thema beitragen wollen würden.

Zu diesem Zeitpunkt gefällt mir überraschenderweise Dirk Niebel sehr gut. Er spricht nicht viel, stellt hier und da falsche Aussagen von Todenhöfer richtig. „Al Quaida operiert nicht mehr aus Afghanistan“. Niebel: „Ja, weil die Nato da ist!“
Dann kommt auch noch Heike Groos mit der Aussage: „Zivile Aufbauhelfer habe ich keine gesehen.“ Niebel: „Die zivilen Aufbauhelfer brauchen ihren Schutz, wollen aber natürlich nicht unmittelbar mit ihnen gesehen werden.“

Die Diskussion nimmt ihren üblichen Lauf. Danach folgt ein Einspielfilm über einen traumatisierten Soldaten der Jahre lang gegen die Bundeswehr kämpfen musste um sein Trauma als Berufsunfähigkeit anerkannt zu bekommen. In diesem Beitrag kommt auch ein Mann des Bundes deutscher Veteranen zu Wort.

Screenshot von annewill.de

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Direkt danach stellt Will eine Frage an Frau Groos: „Wie groß ist ihr Vertrauen, dass die Betreuung besser wird? Diese lacht und sagt: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Dann die Einblendung: „Heike Groos, 2. Vorsitzende des Bundes der Veteranen“ Ich erschrecke ein bisschen. Ich dachte diese Frau war Soldatin, mehrfach in Afghanistan und spricht über Dinge die ihr am Herzen liegen. Das stimmt sicher auch alles, aber sie ist in dieser Sendung weil sie die 2. Vorsitzende des Bundes der Veteranen ist. Das ändert mein Bild von ihr. Nicht weil sie dieses Amt inne hat, sondern weil ich dies nicht wusste, als ich ihr die letzte halbe Stunde zugehört habe. Mir fällt auf einmal auf, wie ihre Sprache und ihre Art sie auf mich sympathisch wirken lies. Aber eben alles auf Grundlage der Informationen die ich über sie hatte. Ich fühle mich getäuscht. Nicht von Groos, sondern von Anne Wills Redaktion.

Im heutigen Zeitalter der immer verfügbaren Informationen braucht es weniger die Informationsbeschaffer, als vielmehr die Informationssortierer, die Informationsaufbereiter und die Informationsverbreiter. Das erwarte ich heute von gutem Journalismus. Damit ist klar, dass nicht alle Meinungen und alles Wissen in eine Diskussion des Formates „Anne Will“ einfließen kann. Aber: Objektivität ist die neue Neutralität. Dann erwarte ich auch, dass ich als Zuschauer, welcher von der Auswahl der Redaktion abhängig ist, von dieser auch aufgeklärt wird wer, mit welchem Hintergrund zu welchem Thema spricht. Alles andere ist für mich Manipulation von Meinung.

CC BY-SA 3.0 DE
Inhalte auf raphabreyer.de stehen i.d.R. unter freier Lizenz (Näheres im Impressum ). Der Artikel „Wie ich mich von der Anne Will Redaktion getäuscht fühlte“ (Text) steht unter der CC BY-SA 3.0 DE Lizenz. Der Name des Autors soll wie folgt genannt werden: Rapha Breyer.

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